Sprachreise nach Tønsberg im Mai 2024 – Klaus schreibt:
Vielleicht stimmt es tatsächlich, dass man besser lernt, wenn man in Bewegung ist. Richtig ist auf jeden Fall, dass Yvonne immer Augen und Ohren offen hat und alle paar Meter etwas sieht, das sie sofort in Lehrstoff verwandelt. Ohne die Spaziergänge durch die wunderschöne südnorwegische Küstenlandschaft hätten wir wohl nie die Bekanntschaft von hesteigler (Pferdeegel, eine Blutegelart) in einem Tümpel gemacht. Wir wären nie über eine tote gigantveps oder geithams (Hornisse) gestolpert und hätten keine huggorm (Kreuzotter) gesehen, bevor sie im Gras verschwindet. Wir hätten auch nicht den Unterschied zwischen niese (Nichte) und nise (Schweinswal) erfahren. Letztere haben wir von einem Aussichtspunkt im Tønsbergfjord gesehen.
Dank Yvonnes offener Art kommen wir auf unseren Spaziergängen durch die Landschaft, durch Tønsberg oder Åsgårdstrand leicht in Kontakt mit den Einheimischen. Wir selbst hätten wohl kaum die Arbeiter angesprochen, die in der ältesten Straße der ältesten Stadt Norwegens Probleme an der Wasserversorgung beheben, während Archäologen die zufällig auf der Baustelle entdeckten Relikte aus alter Zeit in Augenschein nehmen. Wir hätten wohl kein Gespräch mit den streikenden Polizistinnen begonnen und nach dem Grund des Streiks gefragt. So bekamen wir selbst die Gelegenheit, Fragen zu stellen und zu versuchen, die Antworten zu verstehen. Wenn es sich ergibt, wird der Lehrplan umgeworfen, so zum Beispiel in der Torås-Festung: Und schon hat Yvonne eine Führung durch den Bunker organisiert, die gar nicht geplant war.
Und wenn gerade kein Blutegel zur Hand ist oder eine Begebenheit zur Neugier einlädt, so füllt Yvonne unterwegs unseren Wortschatz auf. Sie erklärt die Verwendung der verschiedenen Worte für „schön“ (kjekk gutt, vakker kvinne, fint vær, …) oder wiederholt grammatikalische Geheimnisse. Dazu müssen auch schon die Pflastersteine vor dem Schlossturm herhalten, anhand derer Yvonne das reflexive Possessivpronomen veranschaulicht, bis alle verstanden haben, welcher Stein mit steinen hans und welcher mit steinen sin gemeint ist. Auch die Aussprache kommt nicht zu kurz, wir werden oft korrigiert. Es hilft nicht viel, sich mit einem „ungewöhnlichen“ Dialekt herauszureden: „kj“ wird nun mal wie das deutsche „ch“ gesprochen und nicht wie „sch“, sonst bekommen bestimmte Wörter eine ganz eigenartige Bedeutung.
Wanderung auf Tjøme
Nach einem Spaziergang sitzen wir auch gemütlich in einem Café, mal in Tønsberg bei der Heilsarmee oder in einem Hofcafé im Grünen.
Auf Norwegisch sprechen wir mit einem von Yvonnes ausgewanderten Schülern über seine Erfahrungen in Norwegen, der uns alle unsere Fragen beantwortet. Oder wir verlagern den Unterricht in unsere Hütte, die ein paar von uns gemietet haben, und arbeiten einen vorab geschriebenen Aufsatz über die Geologie Norwegens durch. Aber erst, nachdem die eigens gebackenen Waffeln genossen worden sind, die ja in Norwegen unbedingt dazugehören.